Rezepte - Kräuterfee Doris

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Rezepte

Die Schlüsselblume

Es war vor einiger Zeit, als ein Magier den Herrn anrief: "Oh Herr! Das Fluid des puren Willens habe ich mir herangezogen, jedes Ding auf Erden kann ich willentlich beeinflussen. Und nun habe ich Schüler aufgenommen, denen ich Gleiches lehren will, so dass sie irgendwann in der Lage sind zu befehlen, statt zu gehorchen. Nun öffne mir das ewig verschlossene Tor, Herr, so dass ich auch die letzten Geheimnisse noch sehen und verinnerlichen kann, denn dann werde ich als Dein Vertreter auf Erden wandeln und den ganzen Strom der Menschheit nach meinem Willen lenken!"
"Ach nein", rief der Herr, Du bist mir noch nicht genug Magier. Ehe Du nach dem Himmel verlangst, suche erst nach dem Himmelsschlüsselchen, dort wirst Du noch Geheimnisse finden, die Du noch nicht kennst. Erst dann ruf mich wieder an!"
Heimlich aber frohlockte er böse und sagte zu sich: "Herr will er sein über die Welt, aber ich werde ihn zum Diener machen!"
Jahre der Verzweiflung kamen über den Magier. Wie von Geisterhand wurde alles zerschlagen, was er sich über langen Zeitraum an okkultem Wissen und magischen Zauber angeeignet hatte. Auch seine Schüler verließen ihn, nachdem seine große Bibliothek mit okkulten Büchern durch einen Brand vernichtet wurden.
Freilich hatte er die Schlüsselblume gefunden, aber daran war nichts besonderes, wohl eine wilde Pflanze wie andere auch.
Aber dass der Herr log, das hatte er noch nie gehört. Und so ging er zum letzten Mal, inzwischen arg zerlumpt und krank an Herz und Seele in einen lichten Wald, stach eine Schlüsselblume aus dem Boden und nahm sie mit nach Hause.
Und da plötzlich, auf dem Tische vor ihm liegend, begann die Schlüsselblume zu reden:
"Oh, Magier, was und wer bist Du noch? Du wolltest herrschen und hast alles verloren. Wärest Du doch nicht mit Macht- und Ruhmgelüsten zum Herrn gegangen, vielleicht ginge es Dir jetzt noch gut. Nicht umsonst, Magier, bleiben solche Leute wie Du im Dunkeln, wirken im Geheimen.., der Herr darf es nicht sehen und nicht wissen. Da Du nun alle Deine Kräfte verloren hast, will ich Mitleid haben und will Dir geheimnisvolle Räume öffnen, die sich in Verwaltung der Erdgöttin befinden.
Du musst Deinen Seelenfrieden, Dein Gleichgewicht wiederfinden, dann werden Deine einstmaligen dunklen Gelüste nach Macht nicht mehr schadhaft wirken.  Die Räume der Erdgöttin, wo Du das findest, liegen im Inneren des Berges in Höhlen, nahe der Stelle, wo Du mich ausgegraben hast. Eine Quelle führt zu ihrem Reich in die Unterwelt.“
Behutsam formte der Magier einen Kelch mit seinen beiden Händen, barg die Blume darin, und so machten sie sich auf den Weg zur Quelle. War es ein Windhauch, der die zarte Blume plötzlich erzittern ließ? War es ein Wispern des Pflänzchens, das einen Spalt im Fels öffnete? War es die Kraft der Blume, die sie auf den Magier übertrug, dass ihn furchtlos hindurchgehen ließ? Waren es Minuten, Stunden, Tage oder Jahre bis er plötzlich der Erdgöttin gegenüberstand?
„Ich bin uralt“, sprach sie. Es waren Worte ohne Laute, die sie ihm durch geistige Schwingungen vermittelte. Es herrschte eine tiefe Stille und eine absolute Dunkelheit in dem geheimnisvollen Erdreich, nur das leise Plätschern von Wasser war zu vernehmen. „Ja, ich bin vielleicht sogar älter als die Zeit. Genau deswegen bin ich immer im richtigen Alter, um Dir beizustehen, wenn Du Hilfe brauchst. Wenn Du einmal nicht weißt wer Du bist, was Du tun musst, wie Du dich entscheiden sollst, dann komm zu mir. Ich bin dazu da, um Dich an Deine ureigene Kraft zu erinnern, an Dein Urvertrauen. Und dann hat niemand mehr Macht über Dich. Du hast eine unermüdlich sprudelnde Quelle tief in Dir. Du hast sie nur vergessen. Zu dieser Quelle gehen wir jetzt zusammen und Du badest so lange darin bis Du voll neuer Kraft bist.“ Und mit einem Mal begann ein Strahlen die Höhle zu erhellen, das von der kleinen unscheinbaren Schlüsselblume ausging, die noch immer im Kelch seiner Hände lag. Und dieses Leuchten des Blümchens erwärmte ihn bis tief ins Herz.

Geschichte von Marion Hartmann

 
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